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Corona hat unseren Wortschatz infiziert

Unterricht in Zeiten von Covid-19 - aus Sicht einer Lehrperson Teil II

1'000 neue Begriffe: Das Coronavirus wirkt sich auch auf unseren Wortschatz aus. Claudia Engeler, Lehrperson für Deutsch und Englisch am BZWW, über Spuckschutztrennscheiben, Fashionmasken und Schniefscham:


Claudia Engeler, Lehrperson für Deutsch und Englisch
17. Januar 2021


"Distanz" ist ein Schlüsselwort un für viele neue Wortzusammensetzungen verantwortlich.

«Krisen sind immer auch Chancen», eine Plattitüde zwar, aber für uns Lehrpersonen zeigt sich, dass der Satz seine Berechtigung hat: Durch die Corona-Krise erweitern wir alle unseren Wortschatz.

Wer wusste vor März 2020, was eine Pandemie ist und dass das Wort aus dem Griechischen stammt? Heute verwenden wir den Begriff, als ob er schon immer Teil unseres aktiven Wortschatzes gewesen wäre. Handelt es sich hier noch um ein Lehnwort, so gibt es mittlerweile auch eine grosse Zahl von Neuschöpfungen. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache zählt gegen 1000 neue Begriffe, die dank Corona Eingang in unsere Sprache gefunden haben.

Bei der täglichen Informationsbeschaffung treffen wir auf Wörter wie Spuckschutztrennscheibe, Coronasolidaritätszuschlag, Antigenschnelltest oder Immunitätsausweis. Und wir rätseln, was wohl eine Geistersitzung oder eine Hygienedemonstration ist.

Neuerdings unterrichten wir – im Coronawinter – mit einem Gesichtsschutz und verwenden – je nach Mode-Präferenz – einen Designermundschutz oder eine Fashionmaske. Ein Gesichtsschirm oder ein anderer Behelfsmundschutz hingegen ist nicht zulässig.

An manchen Schulen fand nach dem Lockdown drei Wochen lang Hybridunterricht statt: Die Klassen waren hälftig vor Ort oder zu Hause und wurden dort mittels digitalen Fernunterrichtes unterwiesen. Auch wurden Distanzprüfungen durchgeführt, oder es wurden Distanzarbeiten verlangt.

Social Distancing ist ein Schlüsselwort und beschäftigt uns auch in deutschen Wortzusammensetzungen. Es gilt ein Distanzgebot oder eine Distanzregel, und wir können nur noch auf Distanzbesuch. Zudem dürfen wir Distanzlinien nicht überschreiten und sollen in der Mensa in einer Distanzschlange anstehen. Im Klassenzimmer gibt es Distanzvorgaben oder -vorschriften. Wenn wir Lehrpersonen uns doch einmal treffen, so kann das bei einer Online-Konferenz passieren. Etwas mehr Begeisterung würden wir jedoch bei einer Online-Party oder zumindest bei einem Online-Frühstück empfinden. Noch lieber wäre uns zwar der direkte Kontakt, auch wenn er per Ellenbogen- oder Fussgruss erfolgen müsste. Doch wir befinden uns in einer Contact Bubble, weil wir einen Ansteckungscluster oder einen Coronahotspot befürchten, sprich: dass wir zu einem Hochinzidenzgebiet werden.

Ohnehin wurde in letzter Zeit entweder das Contactracing vernachlässigt oder die Coronawarnapp zu wenig oft heruntergeladen, möglich auch, dass dem R-Wert, der Reproduktionszahl, anfänglich zu wenig Bedeutung beigemessen wurde. Fakt ist, in der Schweiz muss - bei Niesetikette und Schniefscham – die Zwei-Haushalte-Regelung eingehalten werden. So hoffen wir, dass es weder Virenbomben noch Superspreader-Events gibt und dass – falls jemand zu einem Quarantänebrecher wird – keine Coronapetze am Werk ist. 

Zum Glück lernen wir aber auch positive Wörter, zum Beispiel Einkaufshelfer oder Coronaheld. Zudem erweisen wir den Angestellten in systemrelevanten Berufen unsere Reverenz, indem wir einen Balkongesang anstimmen oder bei mangelndem Talent zumindest zu Balkonklatschern werden. Doch wir hoffen alle, dass die Post-Covid-Zeit bald anbricht und wir uns aus der Quarantäneblase entfernen dürfen.

Wir Lehrpersonen stellen hingegen mit Genugtuung fest, dass uns die Coronakrise eine Fülle an neuen Begriffen beschert und uns – neben einem Digitalisierungsschub – auch die Chance gibt, unseren Wortschatzunterricht zu beleben.

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